Fasching in Schloßvippach

Vorgeschichte bis zum Jahr 1986
Sich verkleiden, fröhlich und ausgelassen zu sein, hat es schon viel früher in Vereinen und bei
öffentlichen Veranstaltungen bei Spinden (Spinnstuben), Lumpen-, Masken- und Kappenbällen
gegeben. Es gab um die Jahrhundertwende und teilweise Jahrzehnte danach in unserem Ort Vereine,
die Humor und Geselligkeit auf Ihre Fahnen geschrieben hatten:

  • Der gesellige Verein,
  • der Theaterverein und
  • die Postgesellschaft.

Von den wenigen Protokollen früherer Zeiten sind die des Gesangsvereins „Liedertafel“ in Bezug auf
Fasching und Maskenball interessant. Vor mehr als 100 Jahren, am 4. März 1897, wurde ein
Tanzkränzchen mit dem gemischten Chor abgehalten, bei dem zur Erhöhung der Festfreude viele
Mitglieder und Sangesschwestern in Kostüm oder Maske, teilweise der gelungensten Art, erschienen.
Eine komische Musikkapelle sorgte für den nötigen Lärm; einer dieser Virtuosen tat sich besonders
auf seiner Klarinette hervor, welcher er grauenhafte Töne entlockte. Schaubuden, von Mitgliedern
des Vereins aufgestellt, zeigten Riesendamen und Zwillinge; auch ein Groschenschwoof war zu
sehen. Das Fest fand seinen Abschluss erst lange nach Mitternacht.

Ein Jahr später wird unter dem Motto „Circus Renz in Seine“ auf dem Saal gefeiert und wurde dessen
Programm auf die gelungenste Art und Weise abgewickelt. Nach Schluss der Vorstellung wurde eine
Trinkgeldsammlung von den Clowns durchgeführt. Aber auch vor dieser Zeit hat man sich über lustige Vorträge, Lieder, Humorszenen und Theaterstücke amüsiert, die fast jährlich auf dem Saal stattfanden.


1900
Maskenball am 18. Februar

In allen möglichen kostbaren und originellen Kostümen hielten die Sänger und deren Angehörige im
Lokale des Herrn Kötschau ihren Einzug und wer kein Kostüm hatte, suchte sich wenigstens in Besitz
einer Narrenkappe zu bringen, welche vom Verein für diese Zwecke angeschafft und mit Nutzen
wieder verkauft wurden. In bunter Folge wechselten äußerst gelungene Aufführungen, welche die
Festteilnehmer in die närrisch fröhliche Stimmung versetzten. Zu sehen und zu hören gab es unter
anderem: eine Wildenbude und Altweibermühle sowie eine sogenannte Moritat. Eine Anzahl
Ziegenböcke, welche sich mit grotesken Bocksprüngen im Saale tummelten; zwei Clowns fütterten
sich gegenseitig bei verbundenen Augen aus einer Schüssel voll Schlippermilch zum größten Gaudium
der Umstehenden, da sie sich wohl überall hin fütterten, nur höchst selten in die richtige Öffnung.
Lange nach Mitternacht erst fand dieses schöne und originelle Fest seinen Abschluss und wird es
wohl allen Teilnehmern in angenehmster Erinnerung bleiben.

In den Jahren 1898 – 1903 erfuhr unser Ort durch die Person des Pfarrers August Ludwig einen
Aufschwung im Vereinsleben. Nicht nur als Pfarrer, Mundartdichter und Imker war er allen bekannt.
Bei vielen geselligen Veranstaltungen war Pfarrer Ludwig aktiv dabei: als Vortragskünstler,
Wahrsager, Sänger und Schnellzeichner auf der Bühne.


1904
Aschermittwoch „Fastnachts-Klimmbimmm“

Im nicht besonders festlich dekorierten, aber mollig durchgewährten Saale. Aus dem damaligen
Programm u.a.:

  • Eröffnungsmarsch, ausgeführt von der rühmlichst bekannten Hauskapelle „Krach“
  • Zum Besuche während der Kunstpause wird empfohlen: Der Blitzlichtphotograph!
    Aufnahme mit wirklichem Apparat und Magnesiumlicht. Jeder Besucher erhält ein Bild!
  • Die Menagerie. Ein realistischer Vortrag. Glanzleistung unseres Salonhumoristen.
  • Vorführung des Grafen von Luxemburg
  • Nichterscheinen des Prinzen Carneval
  • Persönliches Erscheinen des kleinen Cohn
  • Carnevalslied. Nur die Anwesenden dürfen mitsingen.
  • Besinnlicher Teil: Tanzvergnügen unter kräftiger Mitwirkung aller Anwesenden. Der Schluss des Festes findet statt, wenn eine gegenseitige Verständigung nicht mehr zu erzielen ist.



1905
Der erste öffentliche Maskenball in Schloßvippach

Der Andrang seitens des Publikums war ein unerwartet großer. Es war ja allerdings durch rührige
Reclame des Narrenconsistoriums im Orte und auch auswärts tüchtig vorgearbeitet worden, doch
übertraf der Erfolg alle Erwartungen. In kurzer Zeit waren die angeschafften Narrenkappen, welche
als zahlungsausweis dienen sollten, ausverkauft und mussten Eintrittskarten verausgabt werden. Die
Grundidee zum Feste war ein Schloßvippacher Kirmesmarkt vor 200 Jahren. Es gab da Schaubuden
aller Art, theatralische Vorstellungen, fahrendes Volk, Zigeuner, Zirkus und nicht zu vergessen auch
ein richtiges Weinzelt, in welchem, von zwei feschen Kellnerinnen bedient, gar fleißig pokuliert
wurde. Ein buntes Gewimmel von Marktgästen in teils kostbaren und geschmackvollen, teils in
originellen Masken, vervollständigten das Bild. Nach der Demaskierung beschloss ein
langandauernder flotter Ball das schöne Fest.
In der Zeit kurz nach dem 1. Weltkrieg bis kurz nach dem 2. Weltkrieg sind keine Unterlagen über
Faschingsfeiern zugänglich. Erst in den 50er Jahren fanden sich wieder Notizen.


1954

Sonntag, den 7. Februar veranstaltete die BSG Traktor einen Kappenabend unter dem Motto: „Wir
tanzen in den Fasching!“ In den Bekanntmachungen 2 Tage zuvor heißt es: „Der Saal ist gut geheizt.
Die Bevölkerung wird hierzu herzlichst eingeladen.“


1956
Sonntag, den 12. Februar 1956 20:11 Uhr großer Maskenball in unserem Ratskeller. Für Stimmung
und Humor ist gesorgt. Kapelle Haase spielt auf. (Bekanntmachung v. 10.02.1956)
Am 9. Februar wurde dem Chor bekannt, dass dieses Jahr am 16. und 17. eine Art Karneval
veranstaltet werden sollte. Was damals begonnen wurde, war für diese Zeit einmalig. Alle Vereine,
Betriebe und Organisationen beteiligten sich am Umzug. Den damaligen Faschingsschlager schrieb
Lehrer und Chordirigent Erwin Thiele.


1958
Schloßvippach feierte Karneval…

… und alle Einwohner, ob jung oder alt, waren dabei. Prinzessin Irmgard I. und Prinz Karl I. kamen auf
der „Laura“, einem als Lokomotive umgebauten Traktor, vor dem Ratskeller vorgefahren. Dort
übergab Bürgermeister Hofmeister den Schlüssel und damit die Herrschaft dem Prinzenpaar. Sie
schwangen das närrische Zepter am vergangenen Wochenende zur Freude aller. Nach der
„Regierungsübernahme“ zogen alle Närrinnen und Narren zu Fuß, zu Pferd oder Wagen durch das
Dorf. Da waren Napoleon mit Fünfergespann, der Urgroßvater des Wartburgs, Prof. Dr. Pillemann mit
seiner fahrenden Klinik, Indianer, der geschmückte Wagen des DFD, die Christel von der Post,
Schneewittchen und viele andere mit Liebe und Fleiß ausgestattete Wagen, die an uns vorüber
rollten. Die Schloßvippacher feierten das zweite Jahr Fasching mit Festzug und eigenem
Karnevalsschlager. Alle Vereine und Organisationen beteiligten sich, und bestimmt wird es im
nächsten Jahr wieder so nett werden.
(„Das Volk“ v. 13.02.1958)


1959

Wurde Fasching ohne Umzug und offiziellem Prinzenpaar gefeiert. Doch auch hier gab es eine
Überraschung am Abend: Ein „falsches“ Prinzenpaar stellte sich vor.


1960

Gab es den vorläufig letzten Umzug.


1968

Dorfklub lud ein
Ein buntes, närrisches Treiben herrschte am vergangenen Wochenende in Schloßvippach. Der
Dorfklub hatte alle großen und kleinen Narren zum Faschingsfest eingeladen. Freude und
Ausgelassenheit herrschten am Sonntag bei den Jüngsten, die mit ihren Muttis und Vatis zum
Kindermaskenball erschienen waren.
(„Das Volk“ v. 29.02.1968)


1969


Am 3. Februar und 10. November fanden auf dem Saal des Ratskellers Faschingsveranstaltungen mit
dem Karnevalsverein Udestedt statt.


1980
Karnevalsveranstaltung am 21. Februar mit dem Schwanseer SCC auf dem Saal des Ratskellers.

1981
Faschingsveranstaltung am 21. Februar mit dem Schwanseer SCC. Gesungen wurde kein Vippacher
Karnevalsschlager, aber das Lied des SCC.


1982
Faschingsfeier des DFD in der LPG-Küche in der Mittelgasse


1983
Am 12. Februar Faschingstanz auf dem Saal.


1984
18. Februar Faschingsveranstaltung mit dem Schwanseer SCC.


1985/1986
Kindergartenfasching

Bevor sich der Schloßvippacher Karneval 1986 etablierte, wurde zur Faschingszeit in den Gaststätten
gefeiert, teils in Vereinen, aber auch ohne große Absprache kam man zusammen und manch einer
hat seinen Urlaub am Rosenmontag genommen.
Organisiert wurden Veranstaltungen durch den DFD, in der Schule und selbst die Kleinsten hatten
ihre Freude beim Faschingskindertanz.
Einige ansässige Handwerker trafen sich oft beim Frühstück in der „Eiche“ am Anger und so hatte
man einen Termin ausgemacht und Hermann Seeber hatte ein Programm für diesen Abend
zusammengestellt. Der 1. Handwerkerfasching war im Februar 1986. Alle kamen in Kostümen und
verbrachten einen wunderschönen Abend bei viel Spaß und Akkordeonmusik. Bei der Vorführung
und Versteigerung eines Gummibaumes kam so viel Geld ein, dass bis zum Morgengrauen dafür
getrunken werden konnte.


Der „Stein des Anstoßes“ zum Neuanfang

Fasching wurde in Schloßvippach eigentlich alle Jahre in irgendeiner Art und Weise gefeiert.
Allerdings kamen die Akteure auf dem Saal des Ratskellers stets aus den Nachbarorten, wie z. B.
Udestedt oder Schwansee. Besonders in den 80er-Jahren waren mehrere Jahre hintereinander die
Närrinnen und Narren aus Schwansee in Schloßvippach. Es war erstaunlich, welche schönen
Programme einschl. Prinzenpaar, Garde und Minister dieser kleine Ort auf die Beine brachte. Der
Obernarr des Schwanseer Vereins war zur damaligen Zeit Udo Löwe, ein ehemaliger Schloßvippacher,
der nach Schwansee geheiratet hatte. Udo konnte es sich nicht verkneifen, ständig Spitzen zu
verteilen und die Schloßvippacher in Punkto Fasching als trägen Haufen zu bezeichnen. Diese wären
einfach nicht in der Lage, vergleichbares zu organisieren. Zur Faschingsveranstaltung im Februar 1984
erreichten diese Sticheleien ihren Höhepunkt und fielen auf fruchtbaren Boden.

Helmut Deckert entschloss sich an diesem Abend eine Bütt zu schreiben und diese im nächsten Jahr
vorzutragen. Gemeinsam mit Dieter Schütze machte er sich Gedanken zu einem ersten groben
Entwurf. Nach vielen Vorschlägen von Freunden und Bekannten war endlich im Februar 1985 der
Text fertig. Die Schwanseer Narren kamen wieder nach Schloßvippach zum Programm und für Udo
Löwe war es selbstverständlich, dass er den neu entstandenen Vortrag in das Programm einbaute.
Die Bütt kam bei den Schloßvippachern sehr gut an, da sie doch speziell Schloßvippacher Probleme
beinhaltete. Damit war die Geburtsstunde des Dorfboten bestimmt, der zum Schluss seiner Bütt die
Schloßvippacher noch einmal provokativ anstachelte, endlich einen eigenen Fasching zu
organisieren.

Noch ahnte er nicht, welche Kraft er geweckt hatte. Im Laufe des Jahres war der Fasching vergessen,
doch am Kirmessamstag wurde dieses Thema von Steffi und Klaus Eltze zur Erinnerung
angesprochen. Es folgte eine Fachsimpelei bis in die frühen Morgenstunden und im Ergebnis wurde
Helmut Deckert verdonnert, interessierte Leute zu einer ersten Sitzung einzuladen. So kam es im
September 1985 zu einer ersten Sitzung im Vereinszimmer des Ratskellers, die nicht die einzige blieb.
Leider existieren aus dieser Zeit keine Aufzeichnungen mehr. Zu dieser Zeit gab es noch keine
Gedanken zu einer Vereinsgründung, sondern es sollte einfach wieder das närrische Treiben in
Schloßvippach auf die Beine gebracht werden. Man wollte vor allem natürlich an die großen
Traditionen des Vippacher Faschings zu Ender der 50er-Jahre anknüpfen. Zum anderen konnte man
ohne offizielle Anmeldung die von den damaligen staatlichen Stellen ausgeübte Kontroll- und
Meldepflicht in gewissen Rahmen umgehen. Inwieweit die Organisation des Faschings dennoch
überwacht wurden, kann heute keiner mehr sagen.

Es ist zu vermuten, dass diese Aktivitäten in Schloßvippach dem Auge des Gesetzeshüters sicher nicht
entgangen sind. Es ist heute auch müßig weiter über dieses Thema nachzudenken; fest steht, dass
von den Gründern des Schloßvippacher Faschings keine Texte und dergleichen zur Einsichtnahme
(man könnte auch „Zensur“ sagen) abgefordert wurden oder nach Erfurt gebracht werden mussten.
Damit war schon einiges einfacher geworden, aber man bemühte sich natürlich trotzdem, die Bütten
und ähnliches in vertretbarem Rahmen zu halten.

Wie organisiert man aus dem Nichts eine Faschingsveranstaltung? Es lag auf der Hand, dass dies nur
mit Hilfe der bereits im Ort bestehenden Vereine möglich war. Die Mitglieder sollten sich Gedanken
machen und selbst Programmteile gestalten.

Mit dem Männergesangsverein, dem Spielmannszug und dem Sportverein fanden sich damals die 3
größten Vereine des Ortes zusammen. Die erste Veranstaltung im November 1985 war mehr als ein
gemütliches Beisammensein dieser Vereine mit faschingsmäßigem Charakter gedacht. Hier
gestalteten dann Mitglieder der Vereine eigene Einlagen.
Es wurde ein schöner Abend und in diesen Stunden wurde spontan der Gedanke gefasst, im Januar
1986 den Schloßvippacher Fasching wieder richtig aus der Versenkung zu heben.
Damit war auch klar, dass sich der Kreis der „Anstifter“ wieder treffen musste. In regelmäßigen
Sitzungen wurden stets zu Beginn die organisatorischen Probleme geklärt und später dann, nach
einigen „Denkwässerchen“, war die Programmgestaltung an der Reihe. Es war erstaunlich, welche
lustigen Ideen immer wieder geboren wurden.
Vielleicht wäre der Start damals nicht so gut gelungen, wenn nicht solche tollen Ideengeber wie
Bernd Weißenborn, Werner Fisch, Manfred Schiller und Klaus Eltze zu den Aktiven der ersten Stunde
gezählt hätten.

Vieles war bis zur ersten Veranstaltung aus dem Nichts zu organisieren. So musste eine ordentliche
Bütt beschafft werden. Diese wurde in der Feldschmiede der LPG Schloßvippach von Manfred Klose
gebaut. Sie war ordentlich stabil, wird heute noch genutzt und hat sicher schon viel Blödsinn zu
hören bekommen. Auch die Beschallung des Saales war ein Problem. Dazu wurde in der ersten Zeit
die Beschallungsanlage der Gemeinde genutzt.
Zu einem ordentlichen Fasching gehört natürlich auch ein Orden. Nur woher nehmen und nicht
stehlen, denn Geld war noch keines in der Kasse. Das sollte ja erst mit den ersten Veranstaltungen
eingenommen werden. Der erste Orden entstand dann irgendwie in der „Rheinschen“ in Sömmerda.
Als alt bewährtes Zahlungsmittel erwiesen sich dabei eine oder zwei Flaschen „Ruß“.
Das Problem der Saalbewirtschaftung wurde damals schnell gelöst, das hatte der Wirt des
Ratskellers, Erhard Bielesch, übernommen. Das Problem eines zünftigen Faschingsschlagers löste
Manfred Schiller auf seine Weise und noch heute singt der SCV seine Lieder!

Von Anfang an waren sich alle über eine Besonderheit des Schloßvippacher Faschings einig und dies
gilt auch heute noch: Zum Faschingsprogramm gibt es kein pompöses Prinzenpaar, keinen Elferrat,
der nur rumsitzt und nichts tut und keinen riesigen Garderummel. Bis zur heutigen Zeit ist man
diesem Stil treu geblieben, denn dadurch gibt es zu jeder Veranstaltung von Beginn an das aktuelle
Programm, keine langweiligen Standard-Prozessionen und die Mitglieder des Elferrats wirken im
Programm mit.

Inzwischen gibt es den Schloßvippacher Fasching seit dem Neubeginn schon wieder über 30 Jahre
und alle sind froh darüber, denn damals hätte das wohl keiner geglaubt.